Ja, gut, aber was sollen wir nun damit anfangen? Haben wir nicht bereits angekündigt, dass das die Grundlage für unsere Bewertung der Anleihen sein würde?
Die Zinsstrukturkurve stellt einen gewissen Trendverlauf der Beziehung zwischen Restlaufzeit und Effektivzins dar und wird anhand der Daten über wenige oder viele verschiedene Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten, Marktpreisen etc. gezeichnet. Bedenken Sie: Es handelt sich um einen Trendverlauf. Wenn Sie also eine bestimmte Anleihe auf der Kurve einzeichnen möchten, landen Sie vielleicht irgendwo neben der Kurve.
Zur Bewertung der Anleihe müssen wir annehmen, dass die Beziehung zwischen Restlaufzeit und Effektivzins Ihrer speziellen Anleihe den anhand der Anleihen mit verfügbaren Marktdaten gezeichneten Trendverlauf nachbildet. Oder anders ausgedrückt: Nehmen wir an, dass sich Ihre Anleihe auf der Zinsstrukturkurve befindet.
Wenn Sie nun eine Zinsstrukturkurve von Anleihen zeichnen können, für die zu einem bestimmten Stichtag Marktdaten zur Verfügung stehen, können Sie den Effektivzins jeder beliebigen Anleihe ohne verfügbare Marktdaten problemlos daraus ableiten. Sie suchen auf der Kurve den Effektivzins für die Restlaufzeit Ihrer Anleihe. Sobald Sie Effektivzins, Restlaufzeit, Coupon, Fälligkeit und andere notwendige Daten kennen, können Sie den geschätzten Marktpreis oder einen akzeptablen beizulegenden Zeitwert der Anleihe zum Stichtag berechnen.
Genauso einfach funktioniert das. Natürlich gilt es bei diesem Verfahren, noch auf einige Dinge zu achten. Gliedern wir den gesamten Prozess noch einmal in mehrere Schritte, so können wir sie Ihnen erklären:
Schritt 1 – Geeignete Marktdaten auswählen
Dieser Schritt ist besonders wichtig und erfordert ein gutes Urteilsvermögen, weil Sie zum Zeichnen der geeigneten Zinsstrukturkurve ganz bestimmte Anleihen auswählen müssen. Welche Anleihen sind das? Generell sollten Sie Anleihen wählen, deren Merkmale Ihrer zu bewertenden Anleihe möglichst nahekommen. Das bedeutet Anleihen aus ähnlichen Branchen oder Ländern, um sicherzugehen, dass die Anleihen auf dem Markt mit ähnlichen Risiken behaftet sind wie Ihre eigene. Zugleich müssen Sie eine gute Begründung für Ihre Wahl finden, um dies gegenüber Ihrem Wirtschaftsprüfer dokumentieren zu können.
Schritt 2 – Effektivzins für ausgewählte Anleihen berechnen
Die Marktdaten über Anleihen auf den Finanzterminals enthalten meist Informationen über den aktuellen Marktpreis der Anleihe (oder über den Preis zu einem bestimmten Stichtag), über Coupon, Rücknahmetag und Rücknahmewert. Manchmal – allerdings nicht immer – findet man dort auch Informationen über den Effektivzins. Falls nicht, müssen Sie diesen mithilfe der MS Excel-Formel „RENDITE“ selbst berechnen.
Sollten Sie keinen Zugang zu den Marktdaten von Finanzterminals wie bloomberg haben, helfen Ihnen unsere Experten sehr gerne weiter.
Schritt 3 – Zinsstrukturkurve zeichnen
Sie sollten mittlerweile eine Reihe von Anleihen mit ihren jeweiligen Restlaufzeiten und Effektivzinsen vorliegen haben. Wir empfehlen Ihnen, diese Daten in einer kleinen Tabelle anzuordnen. Dann können Sie ein Diagramm zeichnen, dessen X-Achse die Restlaufzeit in Jahren und dessen Y-Achse den Effektivzins abbildet. Sie können das Diagramm mithilfe von MS Excel zeichnen, so geht das alles automatisch. Außerdem kann MS Excel den Trendverlauf ebenso in Ihr Diagramm einzeichnen wie die mathematische Formel für die Trendbeziehung. Genau diese Formel benötigen Sie ja.
Schritt 4 – Effektivzins der ausgewählten Anleihen berechnen
Sobald Sie die mathematische Formel gefunden haben, die die Beziehung zwischen Restlaufzeit und Effektivzins ausgewählter Anleihen darstellt, können Sie mit dieser Formel den Effektivzins jeder Anleihe, die Sie bewerten wollen, berechnen. Ersetzen Sie einfach das „x“ in der Formel durch die reale Restlaufzeit für Ihre Anleihe und als Ergebnis erhalten Sie den gewünschten Effektivzins.
Schritt 5 – Marktpreis ausgewählter Anleihen ableiten
Wir nähern uns bereits unserem Ziel: In einem letzten Schritt wenden wir nun die Formel „KURS“ in MS Excel an. In dieser Formel ermitteln Sie den Marktpreis nicht börsennotierter Anleihen anhand ihrer Merkmale wie des Effektivzinses, den Sie in Schritt 4 ermittelt haben.
UNGLAUBLICH! Wir haben es geschafft! Wir haben den beizulegenden Zeitwert nicht börsennotierter Anleihen zu unserem Bilanzstichtag ermittelt!
Sie könnten nun meinen, das sei zu schwierig. Ist es aber nicht. Tatsächlich erfordert es nur eine gründliche Suche nach ähnlichen Finanzinstrumenten und die intelligente Anwendung Ihrer Kenntnisse in MS Excel.